Gesellschaftsrecht


Informationen zum MoPeG – Teil 4: Ausscheiden eines Gesellschafters und Abfindungsanspruch



Zum 01.01.2024 tritt das „Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts“ (kurz: MoPeG) in Kraft. Dieses bringt grundlegende Veränderungen im Recht der Personengesellschaften, insbesondere im GbR-Recht mit sich. In diesem Beitrag beleuchten wir, in welchen Konstellationen ein Gesellschafter aus einer Gesellschaft künftig ausscheidet und welche Rechtsfolgen dies mit sich bringt. Insbesondere soll es dabei um Abfindungsansprüche gehen.

1. Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer GbR

Unter dem noch geltenden Recht führt eine Kündigung eines Gesellschafters oder ein sonstiger Ausscheidensgrund (insbesondere: Tod) automatisch zur Beendigung der GbR. Diese wäre dann zu liquidieren. Wenn von den Gesellschaftern eine solche Rechtsfolge nicht gewünscht ist, muss zwingend im Gesellschaftsvertrag (zumindest aber konkludent) eine sog. Fortsetzungsklausel vereinbart werden. Es muss der Wille der Gesellschafter zum Ausdruck kommen, dass die verbleibenden Gesellschafter auch ohne den betroffenen Gesellschafter die GbR fortführen wollen.

Mit dem MoPeG wird die bisherige Systematik gänzlich verändert: Diejenigen Gründe, die bislang (mangels einer vorrangigen Regelung im Gesellschaftsvertrag) zur Liquidation der Gesellschaft geführt haben, werden nun zu Ausscheidensgründen. Kündigt also ein Gesellschafter oder verstirbt er, scheidet er aus der Gesellschaft aus und diese wird mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt. Der ausscheidende Gesellschafter bzw. im Todesfall dessen Erben erhalten dann eine Abfindung und der Gesellschaftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters wächst den übrigen Gesellschaftern anteilig an (§ 712 Abs. 1 BGB n.F.). Es gilt fortan also der Grundsatz: „Ausscheiden vor Auflösung“. Der Gesetzgeber will damit dem Umstand Rechnung tragen, dass GbRs mittlerweile eine anerkannte Rechtsform im Wirtschaftsleben darstellen und deshalb ein gesteigertes Bedürfnis dafür besteht, dass der Fortbestand der Gesellschaft nicht von vornherein vom Schicksal eines Gesellschafters abhängen soll. Die ursprüngliche Vorstellung des historischen Gesetzgebers, wonach eine GbR mehr oder weniger eine bloße „Gelegenheitsgesellschaft“ darstellt, sei mittlerweile überholt.

2. Kündigung der Mitgliedschaft oder der Gesellschaft?

Ein GbR-Gesellschafter kann mit einer Kündigung unter dem neuen Recht zwischen zwei unterschiedlichen Rechtsfolgen wählen: Er kann entweder seine Mitgliedschaft kündigen (§ 725 BGB n.F.) mit der Folge, dass er aus der Gesellschaft ausscheidet und diese von den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt wird (Austrittskündigung). Hinzu kommt als neue und zweite Option, dass der Gesellschafter die Gesellschaft selbst kündigt (§ 731 BGB n.F.). Im Falle einer solchen Auflösungskündigung tritt als Rechtsfolge die Liquidation der Gesellschaft ein. Voraussetzung hierfür ist, dass dem betroffenen Gesellschafter aus wichtigem Grund eine Fortführung der Gesellschaft nicht zumutbar ist. Das ist vor allem dann der Fall, wenn ein anderer Gesellschafter eine ihm nach dem Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt hat.

Die Auflösungskündigung ist nach dem Willen des Gesetzgebers zwar nur ultima ratio und es bedarf im Einzelfall einer umfassenden Interessenabwägung, ob als Rechtsfolge tatsächlich nur die Liquidation der Gesellschaft in Betracht kommt. Im Zweifel wird der betroffene Gesellschafter vorrangig aus der Gesellschaft auszuscheiden haben. Gleichwohl kann und wird es Situationen geben, in denen die Auflösungskündigung nach § 731 BGB n.F. – gerade bei Gesellschafterkonflikten – als Druckmittel eingesetzt wird. Problematisch an der Neuregelung ist, dass abweichende Vereinbarungen hiervon nicht zulässig sind. Jedenfalls streng nach dem Gesetzeswortlaut wird es im Zweifel nicht zulässig sein, für die Möglichkeit zur zwangsweisen Beendigung der Gesellschaft einen Gesellschafter auf die Möglichkeit der Auflösungsklage aus dem HGB zu verweisen.

3. Abfindungsanspruch nach § 728 BGB n.F.

Scheidet ein Gesellschafter unter dem neuen Recht aus, so bestimmen sich dessen Ansprüche künftig nach § 728 BGB n.F., wonach die Gesellschaft ihn von der Haftung für deren Verbindlichkeiten zu befreien hat. Zudem steht ihm eine dem Wert seines Anteils angemessene Abfindung zu. Der Wert des Gesellschaftsanteils des ausscheidenden Gesellschafters ist erforderlichenfalls auch im Wege der Schätzung zu ermitteln. Schuldner des Abfindungsanspruchs ist die Gesellschaft, wobei die Abfindung „angemessen“ sein muss. Hierbei handelt es sich um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Über die Angemessenheit kann daher im Einzelfall eine sich rechnerisch ergebende Abfindung noch einmal korrigiert werden um – auch unter Berücksichtigung der Interessen der fortführenden Gesellschafter – zu einem insgesamt ausgewogenen Gesamtergebnis zu gelangen. Hierbei handelt es sich natürlich um eine Frage des Einzelfalls.

Der Gesetzeswortlaut stellt im Hinblick auf die Abfindung unmittelbar auf den Wert des Gesellschaftsanteils statt. Das wirft die Frage auf, ob unter dem neuen Recht künftig immer eine sog. direkte Anteilsbewertung zu erfolgen hat. Üblicherweise werden Abfindungsansprüche bislang dergestalt errechnet, dass in einem ersten Schritt zunächst die Gesellschaft bzw. das Unternehmen als Ganzes bewertet wird und einem zweiten Schritt wird dann ausgehend hiervon auf den quotalen Anteil des betroffenen Gesellschafters heruntergerechnet (sog. indirekte Anteilsbewertung). Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es grundsätzlich bei der indirekten Anteilsbewertung verbleiben. Allerdings eröffnet die Bezugnahme im Gesetzeswortlaut auf den Gesellschaftsanteil die Möglichkeit, zusätzlich werterhöhende bzw. auch wertmindernde Faktoren zu berücksichtigen, die allein mit dem betroffenen Gesellschaftsanteil zusammenhängen (z.B. reine Minderheitsbeteiligung, disquotale Ergebnis- und/oder Stimmverteilung).

4. Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personenhandelsgesellschaft

Bei den Personenhandelsgesellschaften gibt es zum Ausscheiden eines Gesellschafters im Vergleich zur aktuellen Gesetzeslage kaum Änderungen. Hier galt beispielsweise für eine OHG im alten Recht bereits, dass ein Gesellschafter insbesondere bei Tod und im Falle des Ausspruchs einer Kündigung aus der Gesellschaft ausscheidet und die Gesellschaft von den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt wird. Künftig wird dies in § 130 HGB n.F. geregelt.

Will ein Gesellschafter zwangsweise eine Liquidation einer Personenhandelsgesellschaft herbeiführen, so muss er künftig (wie auch im bisherigen Recht) eine sog. Auflösungsklage vor Gericht erheben (§ 139 HGB n.F.). Im Unterschied zur neuen Auflösungskündigung bei der GbR geht eine Gesellschaft also nicht bereits im Zeitpunkt des Ausspruchs einer Kündigung in das Liquidationsstadium über. Vielmehr tritt eine Beendigung der Gesellschaft erst mit rechtskräftigem Urteil ein.

5. Praxishinweise

Gerade im GbR-Recht kommt es bei den gesetzlichen Ausscheidensregelungen zu grundlegenden Veränderungen. Nachdem der Gesetzgeber insoweit keine Übergangsvorschriften vorgesehen hat, kann dies dazu führen, dass bei manchen Gesellschaften ab dem 01.01.2024 gänzlich neue Regelungen zum Ausscheiden eines Gesellschafters gelten. Das gilt vor allem für solche Gesellschaften, die gesellschaftsvertraglich keinerlei Regelungen zu den Rechtsfolgen einer Kündigung und zum Ausscheiden eines Gesellschafters getroffen haben. Das gilt im Zweifel auch bei all jenen Gesellschaften, bei denen im Gesellschaftsvertrag bislang lediglich auf die gesetzlichen Regelungen verwiesen wurde.

Das Ausscheiden eines Gesellschafters und der Streit über Abfindungsansprüche stellen typische Streitpunkte bei Gesellschafterkonflikten dar. Es empfiehlt sich daher, Gesellschaftsverträge darauf zu prüfen, ob und welche Vereinbarungen bislang zur Kündigung und zum Ausscheiden eines Gesellschafters getroffen wurden. Ebenso ist zu hinterfragen, ob etwaige Regelungen zum Abfindungsanspruch eines ausscheidenden Gesellschafters hinreichend klar formuliert sind. Um künftig etwaige Unsicherheiten bei der Anteilsbewertung vermeiden zu können, empfiehlt sich unter dem neuen Recht mehr denn je, im Gesellschaftsvertrag klar festzulegen, wie eine Anteilsbewertung zu erfolgen hat und welche Faktoren und Umstände hierbei berücksichtigt werden sollen. Insbesondere wird es zur Vermeidung von Streitigkeiten zu empfehlen sein, von vornherein zu bestimmen, wie ein Geschäftsanteil dem Grunde nach überhaupt bewertet werden soll (direkt oder indirekt).

Bei Fragen im Zusammenhang mit dem neuen Personengesellschaftsrecht können Sie sich jederzeit gerne an uns wenden.


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