Gesellschaftsrecht, Arbeits- und Sozialrecht


Die Haftung von Steuerberatern bei der Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern



Immer wieder beschäftigen sich die Arbeits- und Sozialgerichte mit der Frage, ob Geschäftsführer (insbesondere: Gesellschafter-Geschäftsführer) von der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht befreit sind. Kommt es – da von einer nichtselbständigen Tätigkeit auszugehen ist – zu Nachforderungen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) können unter Umständen die Berater von Geschäftsführern und Gesellschaften im Wege eines Schadensersatzanspruches in Regress genommen werden.
Zuletzt hat sich die Rechtsprechung vermehrt mit Schadensersatzansprüchen gegenüber Steuerberatern beschäftig, so jüngst das OLG Hamm (Urteil vom 08.04.2022 – I-25 U 42/20 = NZG 2022, 1151) und das OLG Koblenz (Urteil vom 09.06.2022 – 2 U 530/21 = NZG 2023, 24). Anlässlich dieser Entscheidungen werden im Nachfolgenden die Grundzüge der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Befreiung von (Gesellschafter-) Geschäftsführern von der Sozialversicherungspflicht und die Grundsätze für eine mögliche Haftung von Steuerberatern dargestellt.

1. Grundsätze der Rechtsprechung des BSG zur Sozialversicherungspflicht

Ob eine Tätigkeit der gesetzlichen Sozialversicherungspflicht unterliegt, hängt davon ab, ob es sich bei der konkreten Tätigkeit um eine selbständige (dann keine Sozialversicherungspflicht) oder um eine nichtselbständige Tätigkeit (dann Sozialversicherungspflicht) handelt. Eine nichtselbständige Tätigkeit im Sinne von § 7 Abs. 1 SGV IV liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer derart in einem fremden Betrieb eingegliedert ist, sodass er über Zeit, Dauer, Ort und Art seiner Tätigkeit nicht frei entscheiden kann, sondern insoweit den Weisungen seines Arbeitgebers unterliegt.
Bei GmbH-Geschäftsführern ist die erste „Weichenstellung“, ob es sich um einen Fremdgeschäftsführer oder um einen Gesellschafter-Geschäftsführer handelt. Bei einem klassischen Fremdgeschäftsführern, der nicht zugleich als Gesellschafter an der GmbH beteiligt sind, stellt sich die Ausgangslage recht einfach dar: Fremdgeschäftsführer sind generell als nichtselbständig zu qualifizieren, d.h. hier besteht eine Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen.
Komplizierter wird es demgegenüber bei Gesellschafter-Geschäftsführern: Das BSG stellt nach Aufgabe der früheren „Kopf-und-Seele-Rechtsprechung“ mittlerweile auf die Kapitalbeteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers ab und fragt, ob sich hieraus die Rechtsmacht ergibt, Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen zu können ab. Letzteres wird von der Rechtsprechung bei einem Mehrheitsgesellschafter angenommen, der in einem Umfang von mehr als 50 % am Stammkapital beteiligt ist. Soll auch ein Gesellschafter-Geschäftsführer mit exakt 50 % Kapitalbeteiligung oder ein Minderheitsgesellschafter (weniger als 50 %) als selbständig qualifiziert werden, wird zu seinen Gunsten eine sog. Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag gefordert. Diese muss umfassend sein (sog. „echte“ bzw. „qualifizierte“ Sperrminorität), also sich auf sämtliche Beschlussgegenstände und die gesamte Unternehmenstätigkeit erstrecken. Eine Beschränkung auf nur bestimmte Beschlussgegenstände reiche dagegen nach Auffassung des BSG nicht aus. Umgesetzt werden kann die echte Sperrminorität typischerweise durch die Einräumung von Vetorechten oder ähnliche Gestaltungen. Letztendlich kommt es daher für die Frage nach der Sozialversicherungspflicht in erster Linie auf die konkrete Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages an. Die gesellschaftsvertraglichen Regelungen und die Regelungen im Geschäftsführer-Dienstvertrag sind aufeinander abzustimmen.

2. Haftung von Steuerberatern

Beiden Entscheidungen des OLG Hamm und des OLG Koblenz war gemein, dass der jeweils beklagte Steuerberater für die betroffene GmbH vertraglich die Lohnbuchhaltung übernommen hatte. In beiden Fällen wurden Schadensersatzansprüche zugesprochen mit der Begründung, es liege eine schuldhafte Verletzung einer Nebenpflicht aus dem Steuerberatervertrag vor. – Beide Gerichte haben ihre Entscheidung vereinfach wie folgt begründet:
Grundsätzlich seien Steuerberater zwar zu einer Beratung in sozialversicherungsrechtlichen Fragen weder berechtigt noch verpflichtet. Nach der Rechtsprechung des BGH entstehen aber im Falle der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen entsprechende Prüfungspflichten. Bei dieser Thematik handle es sich um einen „gängigen Problemkreis“. Ob dem Steuerberater dabei die Rechtsprechungsgrundsätze zur Befreiung von der Sozialversicherungspflicht im Einzelnen bekannt sind oder nicht, ist für eine Haftung nicht entscheidend. Ausreichend sei bereits, wenn für den Steuerberater erkennbar war, dass die Einordnung als selbständige oder nichtselbständige Tätigkeit zweifelhaft war. Bei Unklarheiten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht müsse der Steuerberater den Betroffenen entweder empfehlen, Rechtsrat einzuholen oder ein Prüfverfahren nach § 7a SGB IV (Statusfeststellungsverfahren) einzuleiten. Dies gilt umso mehr, wenn – so das OLG Hamm – für die betroffene Gesellschaft (es handelte sich um eine Neugründung) noch keine Betriebsprüfung durchgeführt wurde, bei welcher der sozialversicherungsrechtliche Status der Geschäftsführer nicht beanstandet wurde.

3. Konsequenzen und Hinweise für die Praxis

Wenngleich Steuerberater nicht verpflichtet sind, das Vorliegen einer nichtselbständigen Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV zu prüfen, so besteht eine Prüfungs- und Beratungspflicht jedenfalls spätestens dann, wenn tatsächlich Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden. Hierbei handelt es sich um die Nebenpflicht, den Mandanten auch auf Gefahren außerhalb des eigentlichen Mandatsgegenstandes hinzuweisen. Zudem trifft Steuerberater gerade bei der Übernahme der Lohnbuchführung die vertragliche Pflicht, etwaigen Schaden vom Mandanten abzuwenden (allg. Schadensverhütungspflicht). Vor diesem Hintergrund schadet es nicht, wenn Steuerberatern die Grundzüge der Rechtsprechung des BSG zur Sozialversicherungspflicht von GmbH-Geschäftsführern bekannt ist. Nur dadurch wird erst das erforderliche Problembewusstsein geschaffen, um bei entsprechenden Fällen adäquat reagieren zu können. Zu empfehlen ist – allein schon zur eigenen Entlastung – stets die Einholung anwaltlichen Rats. Entsprechende Hinweise hierzu an die betroffene Gesellschaft und deren Geschäftsführer und Gesellschafter sollten zu Nachweiszwecken dokumentiert werden.
Das Urteil des OLG Koblenz ist noch nicht rechtkräftig. Es bleibt daher abzuwarten, ob der BGH die Entscheidung korrigieren oder bestätigen wird.

Bei Fragen zur Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern stehen wir jederzeit zur Verfügung. Gerne erstellen wir auch Geschäftsführer-Dienstverträge und beraten zu etwaig erforderlichen Satzungsanpassungen, wenn eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht erreicht werden soll.


Zurück zur Übersicht

Ihre Anwälte im Bereich Gesellschaftsrecht