Versicherungsrecht


Betriebsschließungen aufgrund der COVID-19-Pandemie unterliegen dem Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung



Das LG München hat – soweit ersichtlich – als erstes Gericht in einem Hauptsacheverfahren die Frage entschieden, ob die aufgrund der COVID-19-Pandemie erfolgten Betriebsschließungen dem Versicherungsschutz in der Betriebsschließungsversicherung unterliegen.

Ausgangspunkt der Entscheidung, die sich mit Ansprüchen eines Münchener Gastwirtes beschäftigte, waren Versicherungsbedingungen, die u.a. folgenden Inhalt hatten:

§ 1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren

1.1.1.1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger in Nr. 2 aufgeführten Krankheiten oder Krankheitserreger

a) den versicherten Betrieb [...] schließt; [...]

2. Versicherungsschutz besteht für die folgenden der in §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten, beim Menschen übertragbaren Krankheiten und Erreger nach Fassung des Gesetzes vom 20.07.2000:

a) Krankheiten…

In Teil B In Teil B § 2 ... ist geregelt:

㤠2 Umfang der Versicherung

„1. Der Versicherer ersetzt im Falle

a) einer Schließung nach § 1 Nr. 1a den Schaden in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur Dauer von 30 Schließungstagen. [...]. Die Tagesentschädigung ist auf höchstens 110% des Anteil an Geschäftskosten und Gewinn eines Tagesumsatzes begrenzt. Tagesumsatz ist der Wochenumsatz geteilt durch die Zahl der wöchentlichen Arbeitstage des versicherten Betriebs; Wochenumsatz ist 1/52 des Jahresumsatzes. [...].“

Unter § 3 AVB BS 2002 ist schließlich geregelt:

„§ 3 Ausschlüsse

1. Der Versicherer haftet nicht

[...]

b) für andere als die in § 1 Ziffer 2 genannten Krankheiten und Krankheitserreger, insbe-sondere nicht für

- Humane spongiforme Enzephalopathien sowie Prionenerkrankungen aller Art
- HIV
- Legionella SP
- das Auftreten von Krankheiten bzw. Erreger nach § 6 Absatz 1 Nr. 1, 5 und Absatz 3, sowie §§ 34 und 42 IfSG; [...].“


Das LG München hat insoweit entschieden, dass

1. Die Anordnung zur Schließung von der zuständigen Behörde vorlag

2. Die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes handelte

3. Es dem Versicherungsnehmer nicht zumutbar ist, auf den Außer-Haus-Verkauf verwiesen zu werden und daher nicht lediglich eine Betriebseinschränkung vorliegt

4. Die Vertragsauslegung ergibt, dass eine Einschränkung des Versicherungsschutzes auf die in § 1 Ziff. 2 genannten Krankheiten (in denen das Coronavirus nicht genannt wird) nicht vereinbart wurde und diese Klausel ohnehin nach § 307 Abs. 1 BGB wegen Intransparenz unwirksam ist.

5. Die Gesamtentschädigung nicht nach der Maßgabe des § 76 VVG zu kürzen ist, da die vereinbarte Tagesentschädigung den wirklichen Versicherungswert deutlich übersteigen würde

6. Die Gesamtentschädigung nicht um etwaige staatliche Leistungen im Rahmen des Kurzarbeitergeldes oder staatlicher Liquiditätshilfen zu kürzen ist.
Die Entscheidung des LG München hat somit in sämtlichen wesentlichen Streitpunkten die Auffassung des Versicherungsnehmers vertreten. Wenngleich die einschlägigen Sachverhalte im Einzelfall zu prüfen sind und auch Versicherungsbedingungen häufig unterschiedlich sind, stärkt diese Entscheidung die Argumentation von Versicherungsnehmern in vergleichbaren Streitigkeiten mit ihren Versicherern.

LG München, Urteil vom 01.10.2020, Az. 12 O 5895/20


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