Arbeitsrecht, Gesellschaftsrecht
Beginn der Zwei-Wochen-Frist für die außerordentliche Kündigung von Dienstverträgen mit Organmitgliedern bei der GmbH und AG
Sollen Arbeits- und Dienstverträge außerordentlich fristlos durch Kündigung beendet werden, muss der Arbeitgeber/Dienstberechtigte schnell handeln. § 626 Abs. 2 BGB enthält eine Ausschlussfrist von zwei Wochen innerhalb der die Kündigung erklärt werden muss. Wird die Ausschlussfrist nicht eingehalten, ist die Kündigung unwirksam. Welche Besonderheit in diesem Zusammenhang bei einer AG gelten, die fristlos einen Dienstvertrag mit einem Vorstandmitglied kündigen möchte, hat jüngst das OLG München (Urteil vom 31.07.2024 – 7 U 351/23 e) entschieden.
1. Allgemeine Grundsätze zur Kündigungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB
§ 626 Abs. 2 BGB bestimmt, dass die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen kann. Diese Ausschlussfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Ein häufiger Streitpunkt ist in der Praxis, wann genau von einer solchen Kenntniserlangung im Sinne von § 626 Abs. 2 S. 2 BGB auszugehen ist, da ab diesem Zeitpunkt die Ausschlussfrist zu laufen beginnt.
Voraussetzung für den Fristbeginn ist positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. Nach Ansicht des OLG München muss eine sichere und umfassende Kenntnis von den jeweiligen Tatsachen bestehen, d. h. es muss alles in Erfahrung gebracht worden sein, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über den Fortbestand oder die Auflösung eines Arbeits-/Dienstverhältnisses anzusehen ist. Eine grob fahrlässige Unkenntnis oder ein Kennenmüssen der jeweiligen Tatsachen reicht nicht aus. Maßgeblich ist die Kenntnis des Kündigungsberechtigten, also desjenigen, dem das Recht zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung zusteht. Im Arbeitsrecht ist dies der Arbeitgeber selbst und insbesondere ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter.
2. Besonderheiten bei GmbH und AG
Bei der außerordentlichen Kündigung eines Dienstvertrages mit einem GmbH-Geschäftsführer ist die Gesellschafterversammlung für die Kündigung des Dienstvertrages zuständig, sodass es auf deren Kenntnis für den Lauf der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB ankommt. Bei einer AG liegt die Zuständigkeit zur Erklärung einer außerordentlichen Kündigung eines Vorstandsdienstvertrages beim Aufsichtsrat. Bei solchen Kollegialorganen gelten in der Rechtsprechung besondere Grundsätze für die Kenntniserlangung von den zur Kündigung berechtigenden Tatsachen:
Für die GmbH ist vom BGH (Urteil vom 15.06.1998 – II ZR 318/96) anerkannt, dass die Gesellschafterversammlung nur als Kollegialorgan durch Beschlussfassung einen Willen bilden kann. Eine Wissenszurechnung und Kenntniserlangung im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB liegt daher erst dann vor, wenn der maßgebliche Sachverhalt der Gesellschafterversammlung im Plenum unterbreitet wird. Nicht ausreichend ist, wenn ein einzelner Gesellschafter außerhalb einer Gesellschafterversammlung von dem relevanten Sachverhalt Kenntnis erlangt. Das gilt sogar dann, wenn sämtliche Gesellschafter Kenntnis erlangen, sofern noch kein Zusammentritt als Gesellschafterversammlung erfolgte. Die Gesellschafterversammlung darf jedoch nach Kenntniserlangung vom Kündigungssachverhalt nicht unangemessen verzögert werden. Dem betroffenen Geschäftsführer ist nämlich nicht zuzumuten, zu lange auf ein Zusammentreten der Gesellschafter warten zu müssen.
Das OLG München hat diese Grundsätze in seinem Urteil vom 31.07.2024 auf die AG übertragen. Auch bei einer AG ist daher die Kenntnis des Aufsichtsrates als Kollegialorgan erforderlich. Entscheidend ist, wann der Aufsichtsrat in einer Sitzung Kenntnis von den zur Kündigung berechtigenden Umständen erlangt hat. Die Ausschlussfrist ist dementsprechend gewahrt, wenn eine außerordentliche Kündigung des Vorstandsdienstvertrages innerhalb von zwei Wochen ab der jeweiligen Sitzung ausgesprochen wird und dem betroffenen Vorstand zugeht.
3. Praxishinweise
Da eine außerordentliche Kündigung selbst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unwirksam ist, wenn die Zwei-Wochen-Frist nicht eingehalten ist, ist aus Sicht des Kündigenden hierauf ganz besonders zu achten. Für den Kündigungsempfänger bietet § 626 Abs. 2 BGB dagegen eine potenzielle Verteidigungsmöglichkeit bei der Abwehr einer fristlosen Kündigung. Bei der GmbH und der AG darf mit einem Zusammentritt der Gesellschafterversammlung bzw. dem Aufsichtsrat nicht zu lange abgewartet werden, auch wenn die Kenntniserlangung vom Kündigungssachverhalt erst in der jeweiligen Sitzung erfolgt.
Wir beraten umfassend zum Arbeits- und Gesellschaftsrecht, insbesondere zur Vertragsgestaltung bei Dienstverträgen mit Organmitgliedern (Geschäftsführer, Vorstände) und streitigen Auseinandersetzungen zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften bei Kündigungen. Bei Beratungsbedarf können Sie sich daher jederzeit an unsere Kolleginnen und Kollegen wenden.
1. Allgemeine Grundsätze zur Kündigungsfrist gemäß § 626 Abs. 2 BGB
§ 626 Abs. 2 BGB bestimmt, dass die Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen kann. Diese Ausschlussfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Ein häufiger Streitpunkt ist in der Praxis, wann genau von einer solchen Kenntniserlangung im Sinne von § 626 Abs. 2 S. 2 BGB auszugehen ist, da ab diesem Zeitpunkt die Ausschlussfrist zu laufen beginnt.
Voraussetzung für den Fristbeginn ist positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. Nach Ansicht des OLG München muss eine sichere und umfassende Kenntnis von den jeweiligen Tatsachen bestehen, d. h. es muss alles in Erfahrung gebracht worden sein, was als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über den Fortbestand oder die Auflösung eines Arbeits-/Dienstverhältnisses anzusehen ist. Eine grob fahrlässige Unkenntnis oder ein Kennenmüssen der jeweiligen Tatsachen reicht nicht aus. Maßgeblich ist die Kenntnis des Kündigungsberechtigten, also desjenigen, dem das Recht zur Erklärung der außerordentlichen Kündigung zusteht. Im Arbeitsrecht ist dies der Arbeitgeber selbst und insbesondere ein gesetzlicher oder rechtsgeschäftlicher Vertreter.
2. Besonderheiten bei GmbH und AG
Bei der außerordentlichen Kündigung eines Dienstvertrages mit einem GmbH-Geschäftsführer ist die Gesellschafterversammlung für die Kündigung des Dienstvertrages zuständig, sodass es auf deren Kenntnis für den Lauf der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 626 Abs. 2 BGB ankommt. Bei einer AG liegt die Zuständigkeit zur Erklärung einer außerordentlichen Kündigung eines Vorstandsdienstvertrages beim Aufsichtsrat. Bei solchen Kollegialorganen gelten in der Rechtsprechung besondere Grundsätze für die Kenntniserlangung von den zur Kündigung berechtigenden Tatsachen:
Für die GmbH ist vom BGH (Urteil vom 15.06.1998 – II ZR 318/96) anerkannt, dass die Gesellschafterversammlung nur als Kollegialorgan durch Beschlussfassung einen Willen bilden kann. Eine Wissenszurechnung und Kenntniserlangung im Sinne von § 626 Abs. 2 BGB liegt daher erst dann vor, wenn der maßgebliche Sachverhalt der Gesellschafterversammlung im Plenum unterbreitet wird. Nicht ausreichend ist, wenn ein einzelner Gesellschafter außerhalb einer Gesellschafterversammlung von dem relevanten Sachverhalt Kenntnis erlangt. Das gilt sogar dann, wenn sämtliche Gesellschafter Kenntnis erlangen, sofern noch kein Zusammentritt als Gesellschafterversammlung erfolgte. Die Gesellschafterversammlung darf jedoch nach Kenntniserlangung vom Kündigungssachverhalt nicht unangemessen verzögert werden. Dem betroffenen Geschäftsführer ist nämlich nicht zuzumuten, zu lange auf ein Zusammentreten der Gesellschafter warten zu müssen.
Das OLG München hat diese Grundsätze in seinem Urteil vom 31.07.2024 auf die AG übertragen. Auch bei einer AG ist daher die Kenntnis des Aufsichtsrates als Kollegialorgan erforderlich. Entscheidend ist, wann der Aufsichtsrat in einer Sitzung Kenntnis von den zur Kündigung berechtigenden Umständen erlangt hat. Die Ausschlussfrist ist dementsprechend gewahrt, wenn eine außerordentliche Kündigung des Vorstandsdienstvertrages innerhalb von zwei Wochen ab der jeweiligen Sitzung ausgesprochen wird und dem betroffenen Vorstand zugeht.
3. Praxishinweise
Da eine außerordentliche Kündigung selbst bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unwirksam ist, wenn die Zwei-Wochen-Frist nicht eingehalten ist, ist aus Sicht des Kündigenden hierauf ganz besonders zu achten. Für den Kündigungsempfänger bietet § 626 Abs. 2 BGB dagegen eine potenzielle Verteidigungsmöglichkeit bei der Abwehr einer fristlosen Kündigung. Bei der GmbH und der AG darf mit einem Zusammentritt der Gesellschafterversammlung bzw. dem Aufsichtsrat nicht zu lange abgewartet werden, auch wenn die Kenntniserlangung vom Kündigungssachverhalt erst in der jeweiligen Sitzung erfolgt.
Wir beraten umfassend zum Arbeits- und Gesellschaftsrecht, insbesondere zur Vertragsgestaltung bei Dienstverträgen mit Organmitgliedern (Geschäftsführer, Vorstände) und streitigen Auseinandersetzungen zwischen Organmitgliedern und Gesellschaften bei Kündigungen. Bei Beratungsbedarf können Sie sich daher jederzeit an unsere Kolleginnen und Kollegen wenden.
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